Planung in Genf: eine schwierige Übung

Juni 2024

Mit einer besonders starken Dynamik des Wirtschaftswachstums, die einem grenzüberschreitenden Metropolraum eigen ist und durch die Ausstrahlung des internationalen Genf unterstützt wird, besteht die grösste Herausforderung heute darin, dieses induzierte Wachstum auf qualitative Weise in einem zunehmend beengten und eingeschränkten Gebiet unterzubringen und dabei seine landwirtschaftlichen und natürlichen Gebiete sowie seine bemerkenswerten Landschaften zu bewahren.

Das Office de l’urbanisme ist für die Raumplanung im Kanton Genf zuständig. Können Sie uns einen Überblick über Ihre Zuständigkeiten geben?
Das Stadtplanungsamt erarbeitet und setzt eine Bodennutzungspolitik um, die darauf abzielt, den Wohnungsbau, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu fördern und gleichzeitig den Lebensraum im Hinblick auf den ökologischen Wandel zu verbessern sowie das natürliche und bauliche Erbe aufzuwerten. Er ist das Eingangstor für alle territorialen Projekte und gewährleistet einen ständigen und iterativen Dialog zwischen den lokalen und regionalen Ebenen sowie zwischen den öffentlichen Politiken, die auf diese Projekte einwirken (Natur, Landschaft, Mobilität, Grund und Boden, Soziales, Gesundheit, Wirtschaft usw.).

Zu den Instrumenten gehört der kantonale Richtplan, der eine allgemeine Orientierung über die grossen räumlichen Gleichgewichte gibt, insbesondere in Abstimmung mit den Nachbarn in Frankreich und im Waadtland. Das Stadtplanungsamt ist auch für Zonenänderungen zuständig, um die Nutzungen an die Bedürfnisse des Gebiets anzupassen, sowie für Leitplanungen wie die Quartierrichtpläne oder die lokalisierten Quartierpläne, die die Anordnung der Gebäude präzisieren, die Aussenräume organisieren und die Baurechte verteilen.

Seit 2015 verfügt das Stadtplanungsamt über eine Abteilung für Bürgerbeteiligung, die ein Kompetenzzentrum für alle Abstimmungsprozesse ist, die alle Projekte begleiten. In der Tat hat sich die Berücksichtigung der Bevölkerung und ihrer Nutzungsexpertise bei den Projekten durch die Konzertierungsansätze weiter verstärkt. Um zu verstehen, wie das Gebiet bewohnt wird, und um eine bessere Berücksichtigung der Wohnwünsche der Bewohner durch die Projekte zu ermöglichen, werden in Ergänzung zu den partizipativen Ansätzen immer häufiger soziologische Studien in die Grundstudien der Projekte integriert.

Um den Bau der Schnittstellen des Léman Express zu begleiten, hat das Stadtplanungsamt auch eine operative Direktion geschaffen, die für Projekte im öffentlichen Raum zuständig ist: Plätze, grüne Wege für den Langsamverkehr, Schulhöfe, Parks etc.

Mit welchen Herausforderungen und Chancen ist die Stadtentwicklung in Genf konfrontiert, insbesondere im Vergleich zu anderen Schweizer Kantonen?
Die grösste Herausforderung besteht heute darin, dieses Wachstum qualitativ hochwertig in einem immer engeren und beschränkteren Raum unterzubringen.

Über Jahrzehnte hinweg hat das Genfer Territorium seine landwirtschaftlichen und natürlichen Gebiete sowie seine Landschaften bewahrt, wodurch es seinen Bewohnern eine hohe Lebensqualität bieten konnte. Diese ständige Aufmerksamkeit zwischen Bewahrung und Entwicklung hat dazu geführt, dass es im städtischen Prozess des Wachstums nach innen eine Vorreiterrolle einnimmt. Die Herausforderung besteht heute darin, dieses Wachstum in den bestehenden Siedlungsstrukturen unterzubringen, aber auch positive Prozesse der Regeneration und Sanierung bereits urbanisierter Gebiete in Gang zu setzen. Die Klimaresistenz verlangt von uns, die öffentlichen Räume zu überarbeiten, indem wir die Wasserinfiltration, die Entsiegelung von Böden und die Erhöhung der Vegetationsdecke besser steuern. Gleichzeitig muss die energetische Sanierung bestehender Gebäude zu erheblichen Einsparungen führen und gleichzeitig auf erneuerbare Energiequellen umgestellt werden.

Diese Herausforderung, die Stadt auf bereits bebauten Flächen zu errichten, muss sich auch mit der Erhaltung des baulichen Erbes und der Bäume sowie der Berücksichtigung der Biodiversität im städtischen Umfeld auseinandersetzen.

Welche Gebiete in Genf sind für Unternehmen besonders attraktiv und warum?
Das bebaute Gebiet von Genf ist besonders dicht und kompakt. Die Unternehmen des sekundären Sektors profitieren von den hochwertigen Industriegebieten, die über die «Ecoparc» sowohl auf eine Dynamisierung des Wirtschaftsgefüges als auch auf die Berücksichtigung der Herausforderungen bei der Anpassung an den Umweltwandel abzielen: besseres Wassermanagement, Begrünung, Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft etc. Diese Industriegebiete sind in der Regel gut an Verkehrsachsen angebunden und verfügen zum Teil über einen Bahnanschluss.

Die mobileren Dienstleistungsaktivitäten haben in letzter Zeit bedeutende Umsiedlungen erlebt, um von neuen «Adressen» zu profitieren, die besser gelegen, moderner und vor allem besser an die Mobilitätsnetze angebunden sind. In diesem Streben nach Optimierung haben die neuen Geschäftsviertel des PAV eine grosse Attraktivität bewiesen, insbesondere diejenigen, die direkt in der Nähe der Bahnhöfe des Léman Express liegen. Man kann feststellen, dass die Unternehmen auf verschiedene Parameter achten, darunter die Lage, die Verkehrsanbindung (öffentlich und privat), die im Viertel angebotenen Nahversorgungsdienste sowie die Flexibilität der Räumlichkeiten und die Umweltfreundlichkeit der Gebäude.

Welches sind die wichtigsten Bauprojekte im Kanton Genf und wie tragen sie zur Stadt- und Raumentwicklung bei und welche Projekte würden Sie als Leuchtturmprojekt bezeichnen und aus welchen Gründen? Wo sieht die Stadt- und Raumentwicklung in Genf noch Entwicklungspotenzial und wie könnte dieses ausgeschöpft werden?
Die aktuelle Stadtentwicklung besteht hauptsächlich aus drei grossen Projektfamilien:

Die «Grossprojekte» als Stadterweiterung auf landwirtschaftlichem Gebiet. Diese Projekte wurden vor etwa zehn Jahren konzipiert und durchliefen den gesamten Prozess von der Aufnahme in den kantonalen Richtplan über die Zonenänderung bis hin zum Quartierrichtplan. Jedes dieser Projekte umfasst mehrere tausend Wohnungen, Gewerbeflächen, Annehmlichkeiten und öffentliche Einrichtungen. Sie befinden sich alle in der Bauphase, die in Etappen bis 2040 dauern wird.

Die Stadterneuerungsprojekte in der Villa-Zone. Diese Projekte haben ein grosses Potenzial für neue Wohnungen, aber ihre Planung ist aufgrund der Auswirkungen auf das bestehende Gefüge heikel, das nicht nur eine natürliche Widerstandsfähigkeit gegenüber Veränderungen aufweist, sondern stellenweise auch über patrimoniale und ökologische Qualitäten verfügt, die heikle Interessenabwägungen erfordern.

Die dritte grosse Familie betrifft die Verdichtung der Stadtkrone, darunter der Sektor «Praille-Acacia-Vernet (PAV)» und die Bahnhofsviertel des Léman Express. Während letztere sich in der Endphase der Fertigstellung befinden und Wohnungen und Gewerbeflächen mit hervorragender Verkehrsanbindung bieten, zielt der PAV-Sektor auf die Umwandlung eines über 200 Hektar grossen Industriegebiets in ein neues Stadtzentrum ab. Weit entfernt von einer Brache ist dieser dynamische Sektor heute in Betrieb und erfordert die Umsiedlung von Unternehmen, um deren Fortbestand im Genfer Wirtschaftsgefüge zu gewährleisten.

Gibt es in Genf noch ungenutzte Flächen, die für neue Entwicklungsprojekte in Frage kommen? Wenn ja, wo befinden sie sich?
Wie bereits erwähnt, ist der Kanton Genf gezwungen, sich nach innen zu entwickeln und sein Siedlungsgebiet zu regenerieren. Im Gegensatz zu anderen Städten gibt es in Genf keine städtischen Brachflächen, da diese häufig mit der Deindustrialisierung in Verbindung stehen. So wird die Urbanisierung hauptsächlich durch die Mutation der bestehenden Bauzonen vorangetrieben, mit der Perspektive, das Gebiet auszustatten, um die Praktiken der Nähe zu fördern.

Die Lebensqualität wird durch die Erneuerung von Stadtvierteln verbessert. Dazu gehören die Neugestaltung der öffentlichen Räume, die Bereitstellung von Einrichtungen und Dienstleistungen für die Nachbarschaft, die Erhaltung des baulichen und natürlichen Erbes sowie ein leichterer Zugang zu Erholungsräumen. In diesem Sinne stellen die Villengebiete aus dem letzten Jahrhundert heute das grösste Potenzial für eine Mutation für Entwicklungsprojekte im Kanton dar.

Die Ambitionen Genfs, seine Natur- und Landwirtschaftsflächen zu erhalten, werden durch den Sektorplan für Fruchtfolgeflächen (SDA) unterstützt, der darauf abzielt, eine Quote von 8400 Hektar qualitativ hochwertiger landwirtschaftlicher Flächen zu erhalten, um zur Genfer Selbstversorgung beizutragen. Da diese Grenze praktisch erreicht ist, sind zukünftige grosse Stadterweiterungen in der Landwirtschaftszone nicht mehr möglich.

Hat die Pandemie zu langfristigen Veränderungen in der Planung Genfs geführt? Wenn ja, welche?
Die Pandemie war ein Moment, in dem das kollektive Bewusstsein für die enge Verbindung zwischen Lebensstilen und der Produktion der Stadt geschärft wurde.

Tatsächlich war der Einschluss für alle eine echte Erfahrung der städtischen Widerstandsfähigkeit in einem Kontext, in dem eine Anpassung an den Klimawandel notwendig ist. Er hat auch den Bedarf an einer vielfältigen Stadt aufgezeigt, die in der Lage ist, in der Nähe eines Stadtviertels Dienstleistungen, Orte der Entspannung und der Erholung anzubieten. Die Qualität der öffentlichen Räume ist daher von entscheidender Bedeutung, ebenso wie die Vernetzung von Parks und Gärten. In Hitzesommern ist der Zugang zu Wasser ebenfalls wichtig und hat dazu geführt, dass die Nutzung der Seeufer und Wasserläufe völlig neu gestaltet wurde, indem Spazierwege freigegeben und neue Erholungsmöglichkeiten geschaffen wurden (Rhône-Ufer, Strand von Eaux Vives, Strand von Vengeron usw.).

Das Bedürfnis nach Freizeit und Erholung setzte auch die landwirtschaftlichen und natürlichen Flächen unter Druck, mit einer starken Frequentierung während der Pandemie, die vor allem auf die Schliessung der Grenzen zurückzuführen war. Heute wird über die «sozio-ökologische» Verwaltung dieser Gebiete nachgedacht, um zu versuchen, die landwirtschaftliche Tätigkeit und die Erhaltung der Ökosysteme miteinander in Einklang zu bringen und gleichzeitig einen vernünftigen Zugang für die Öffentlichkeit zu ermöglichen.

Wie stellen Sie sich die ideale Entwicklung des Kantons Genf vor? Was wären die Schlüsselelemente?
Die Entwicklung des Kantons Genf erfordert vorrangig den Erhalt und die Aufwertung seiner landwirtschaftlichen und natürlichen Flächen, sowohl aus Gründen der Biodiversität, der Nahrungsmittelproduktion als auch des Landschaftsbildes.

Neue Potenziale werden daher idealerweise im bereits bebauten Gebiet liegen, teils in der Stadterneuerung, teils in der Verdichtung der Villenzone.

Die Vision, die der Entwicklung zugrunde liegt, zielt darauf ab, eine dichte, grüne Stadt zu fördern, die Dienstleistungen und Annehmlichkeiten in der Nähe anbietet und die zukünftigen Entwicklungen in Bereichen ansiedelt, die gut an die Mobilitätsnetze (aktive Mobilität und öffentliche Verkehrsmittel) angebunden sind. Quartiere, die vielfältige Aufnahmebedingungen bieten und eine Generationenmischung unterstützen, die begrünt und für alle Arten von Menschen konzipiert sind, sanfte Mobilitätsnetze, die die Lebensräume (Wohnen, Arbeit, Bildung, Freizeit usw.) miteinander verbinden Eine selbstbewusste Urbanität einer dichten Stadt, die es versteht, die Bautypologien zu kontextualisieren und die Bewohnerinnen und Bewohner voll in ihre Planung und Umsetzung einzubeziehen.

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